Janes ! …eine kleine Fußballgeschichte.


Es war gestern, oder vorgestern… oder vielleicht ist es auch schon etwas länger her. Es war Training und die Sonne schien. Die Tiere spielten Fußball und der Trainer, nennen wir ihn einmal Daniel, der Trainer sagte ihnen, wie sie noch besser Fußball spielen könnten.
Ja, sie konnten schon ganz gut Fußball spielen. Da war Archer, das Schaf. Archer spielte vor der Abwehrt, ein klassischer Sechser eben, so wie das die Sportreporter immer sagten. Dann gab es noch Wolfgang, das Schwein. Der stand im Tor. Er wollte schon immer Torwart sein und weil kein anderer wollte, war er es eben. Kater Mert machte den Innenverteidiger und Owusu, der Fuchs war der Mittelstürmer.
Ja, und da war dann noch der Löwe. Naja, Löwe… es war halt ein sehr kleiner Löwe, der da meistens am Rand des Spielfelds, nahe der Außenlinie stand und eigentlich nur dann gegen den Ball trat, wenn es gar nicht anders ging. Und das hatte folgende Bewandtnis: der Löwe war ein Löwe, ja, doch er war ein nun mal ein kleiner Löwe. Sein Brüllen war eigentlich mehr ein Fauchen und seine Krallen nicht so richtig lang. Und er hatte keine Reißzähne. Vielleicht lag es daran, dass er noch ein sehr junger Löwe war und die Zähne würden vielleicht noch wachsen. Aber bis jetzt sah man noch nicht einmal die Spur von einem furchterregenden Maul, geschweige denn von mächtigen Pranken. Der Name des Löwen war Janes !
An diesem Tag, von dem ich erzähle, versuchte Trainer Daniel wieder einmal, ihn dazu zu bewegen, etwas mehr mitzuspielen, den Ball zu fordern und auch mal ins Dribbling zu gehen. Doch Janes ! drückte sich. Meistens, wenn er genau dies versuchte, ging es genau dann gerade schief. Es hatte ihm schon vor langem den Mut genommen, er hatte sich sogar schon gefragt, ob er mit dem Fußball spielen aufhören sollte.
An diesem Tag also, der Tag, an dem die Sonne schien und Trainer Daniel ihn wieder einmal aufmuntern wollte, geschah es, dass drei Männer auf den Fußballplatz kamen. Es waren weise Männer. Man nennt sie so, weil sie alles checken. Diese drei weisen Männer checkten alles vom Fußball. Der erste weise Mann hieß Aleksandar. Er war ein lang gedienter Anhänger des Fußballgottes und auf dem Platz kannte man ihn sehr gut. Der zweite weise Mann hieß Klaus und hatte früher selbst sehr gut Fußball gespielt, sogar in der Nationalmannschaft. Der dritte weise Mann hieß Friedhelm und war selbst ein sehr guter Fußballtrainer.
Ich weiß nicht, ob es diesen Fußballgott wirklich gibt, aber sollte es ihn geben, dann hatte er diese drei weisen Männer an diesem Tag auf diesen Fußballplatz geschickt. Zuerst bemerkten die Tiere ihn nicht, als sie auf den kleinen Löwen zugingen. Und auch der wurde erst aufmerksam, als sie direkt hinter ihm standen.
„Guten Tag, kleiner Löwe“, sprach der weise Mann Aleksandar ihn an. „Warum stehst du denn hier nur herum? Der Ball ist da vorne !“
Janes ! erschrak ein wenig, dann drehte er sich um und sagte: „Ach, ich kann halt nicht so gut Fußball spielen!“
Inzwischen hatte Trainer Daniel und die anderen Tiere die drei weisen Männer bemerkt und sich zu ihnen gesellt.
„Der kann nix !“ sagte Kater Mert.
„Der steht immer nur ´rum!“ pflichtete Mittelstürmer Owusu bei.
„Wenn der gegen den Ball tritt, kullert der immer nur auf´s Tor zu!“ stimmte Torwart Wolfgang zu.
„Da hast Du doch richtig Schwein gehabt!“ frotzelte Archer, der Sechser.
„Hört doch mal auf, Jungs!“ mischt sich Trainer Daniel ein. „Janes ! kann mindestens ebenso gut Fußball spielen wie Ihr anderen!“
„Und warum tut er es dann nicht?“ fragte der zweite weise Mann Klaus.
„Mann, der hat doch nicht mal Zähne“, meckerte Archer.
„Und hör´n se den mal brüllen!“ Mert musste immer noch ein drauf setzen und grinste.
„Und Krallen hat der auch nicht. Was´, das für´n Löwe?“ sagte Owusu.
„Einer mit zwei Beinen“, antwortete der dritte weise Mann Friedhelm. „Mit zwei Beinen zum Fußball spielen!“
Janes ! schaute zu Boden. Trainer Daniel lächelte.
„Das habe ich ihm auch immer schon gesagt“, sagte er.
Janes ! schaute noch ein wenig trauriger zu Boden.
Der dritte weise Mann Friedhelm lächelte. „Dann schauen wir doch mal, kleiner Löwe…!“
Janes ! erschrak. Was war das jetzt wieder ?
„Wir üben jetzt Freistoß!“ erklärte der erste weise Mann Aleksandar.
„Und Janes ! schießt direkt!“ ergänzte der zweite weise Mann Klaus.
„Der…?!“ Schwein Wolfgang kratzte sich am Kopf. Die Borsten knisterten.
„Zwanzig Meter, halbrechte Position!“ Trainer Daniel legte den Ball etwa vier Meter vor den Strafraum. „Mauer neun Meter siebzehn dahinter!“
Widerstrebend stellten sich Archer, Mert, und Owusu in den Raum zwischen Ball und Torlinie.
„Mauer neun Meter siebzehn, meine Herren!“
Etwas unwillig wichen die drei zurück, bis Trainer Daniel zufrieden war.
Janes !, etwas unsicher, legte sich den Ball zurecht. „Und wohin soll ich schießen?“ fragte er.
Trainer Daniel zuckte mit den Schultern. „versuch´s doch mit dem langen Eck…!“
Janes ! seufzte. Dann trat er ein paar Schritte zurück, um Anlauf zu nehmen und führte den Freistoß aus. Einen Moment segelte der Ball durch die Luft… noch einen Moment… Janes ! sah hinterher… dann prallte er an der Mauer ab.
„Zu tief !“ krächzte Mert schadenfroh, während Owusu, der den Ball abbekommen hatte, sich noch den Kopf hielt.
Janes ! ließ die Schulten hängen.
„Vielleicht doch flach und ins kurze Eck!“  überlegte Trainer Daniel.
Neue Maueraufstellung, Janes ! lief noch einmal an… flach an der Mauer vorbei. Flach an Torwart Wolfgang vorbei. Flach am Tor vorbei.
Janes ! schossen die Tränen in die Augen. Sollten sie ihn doch in Ruhe lassen. Da spürte er eine Hand auf seiner Schulter.
„Das war doch schon ganz gut!“
Der zweite weise Mann Klaus lächelte ihn an.
„Das war daneben!“ schluchzte Janes !
„Wenn wir alle sofort treffen würden, müssten wir ja nicht üben!“
Es war der dritte weise Mann Friedhelm, der Janes ! aufmunterte.
Janes ! sah nach oben.
„Ich bin doch ein Löwe ohne Zähne, die können doch nix!“ sagte er verzweifelt.
„Ne, ´n Nagetier isser nich!“ frotzelte Archer, das Schaf.
Die anderen Tiere grinsten. Trainer Daniel tat Janes ! wirklich leid. Doch was sollte man tun? Er traute sich einfach nichts zu.
„Hör´ mal, Janes !“, sagte der dritte weise Mann Friedhelm zu dem kleinen Löwen. „Jeder is anders… und jeder is besonders! Wenn du keine Zähne hast, kannst Du besser sprechen als beißen!“
„Und wenn Du keine Krallen hast, kannst Du besser Fußbälle schießen als kratzen!“ ergänzte der erste weise Mann Alexandr.
„Mach´ einfach, wie Du denkst!“ sagte der zweite weise Mann Klaus.
Trainer Daniel nickte nur. „Mach´ einfach, wie Du denkst…!“
Janes ! sah ihn an, sah die drei weisen Männer an, dann sah er hinüber zu den anderen Tieren. Die machten wirklich nicht den Eindruck, als würden sie ihm auch nur das Geringste zutrauen.
Da lag er nun, der Ball… zwanzig Meter, halbrechte Position. Und die Mauer stand, grinsend, fordernd. Janes ! sah auf ihn hinab. Eigentlich sollten seine Füße jetzt zittern. Aber seltsam, er dacht nur daran, was die weisen Männer ihm gesagt hatten. „Wenn wir alle sofort treffen würden, müssten wir ja nicht üben!“  Janes ! überlegte kurz. „Mach´ einfach, wie Du denkst…!“ hatten sie gesagt. Und sie hatten recht, dachte er. Egal, ob Zähne oder nicht, ob brüllen oder fauchen, ob Krallen oder Patschepfoten, er war ein Löwe und er würde eben so gut ein Löwe sein, wie er eben ein Löwe sein konnte. Vielleicht war er nicht der tollste Löwe, aber er war der tollste Löwe, der er eben sein konnte.
Janes ! trat ein paar Schritte zurück und visierte das Tor an. Wolfgang, das Schwein stand in der kurzen Ecke und die Mauer aus den drei anderen schien unendlich hoch und noch viel breiter zu sein. Aber das war egal. Janes 1 war eben der beste Fußball spielende Löwe, deran diesem Ort zu dieser Zeit Fußball spielte und der einzige Fußball spielende Löwe, der diesen ball treten konnte. Und er würde das so gut machen, wie er es vermochte, ganz egal was die anderen sagten oder dachten.
Ein kurzer Anlauf, Standbein neben den Ball, abzeckern mit rechts. Der Ball flog… Flugbahn verfolgen… links an der Mauer vorbei, scharfer Schnitt, da konnten die noch so hoch springen, wie sie wollten… Kurs auf´s Lange Eck… Wolfgang auf dem Weg… die Flugkurve immer länger und länger… Wolfgang fliegt… eine Pfotenbreite entfernt rauscht der Ball vorbei und… knallte voll ins Netz…  mitten in den Winkel… wie bei Ronaldo !
Die drei weisen Männer klatschen in die Hände, Janes!´ erster Applaus ! Trainer Daniel lächelte. „Das hast Du gut gemacht, Janes !“
Janes ! ist glücklich. Auch er lächelt. „War der Schuß so gut?“
„Der Schuß war in Ordnung“, sagte Trainer Daniel, „aber wirklich wichtig ist, dass Du an Dich geglaubt hast!“
Janes ! lächelte zurück. „Ich glaube, das werde ich in Zukunft öfter tun!“
„Der Schuß war wirklich ganz okay…!“ Mert nickte anerkennend.
„Vielleicht sind ja Zähne doch nicht das wichtigste im Leben!“, sagte Owusu.
„Dann kann das Training ja jetzt weiter gehen!“ sagte Trainer Daniel.
An diesem Nachmittag hatte Janes ! etwas wichtiges gelernt:
Es kommt nicht so sehr darauf an, was du bist oder ob irgendetwas nicht sofort gelingt. Es ist wichtig, dass du an dich glaubst und niemals aufgibst!
Die drei Weisen Männer beobachteten das Training an diesem Nachmittag noch eine ganze Weile. Ob es eines der Tiere mal in die Profimannschaft schaffen würde…? Schaut doch einfach immer mal nach, ob Ihr einen von ihnen dort seht, in den nächsten Jahren.
Janes ! wollte jedenfalls unbedingt Maskottchen der ersten Mannschaft, vielleicht sogar des ganzen Vereins werden. Schaut doch mal genau hin… vielleicht seht ihr ihn ja auch mal irgendwo im Stadion.
An diesem Tag jedoch war alles erst einmal gut. Und hoch über dem Fußballplatz stand… nein, nicht der Stern von Bethlehem… über dem Fußballplatz glänzte die Sonne und strahlte über den Verein, der wieder einmal irgendetwas richtig gemacht hatte!